30.8.05

Warum Kinder zwischen 10 und 14 Jahren nicht mit Autos mitfahren dürfen

Das Kraftfahrgesetz (KFG) gibt im § 106 Vorschriften zur Beförderung von Kindern. Diese Vorschriften sind äußerst kurios.

Zunächst wird im Absatz 1a festgelegt, dass Kinder unter 12 Jahren generell nicht in der ersten Sitzreihe sitzen dürfen. Im Absatz 1b steht dann, dass Kinder unter 12 Jahren, die kleiner als 150 cm sind, mit einem Kindersitz zu befördern ist ("... dem Alter und Gewicht ensprechend..."). Der Absatz 1e ist dann fast eine wörtliche Kopie des Absatzes 1b, nur ist hier die Altersgrenze auf 14 Jahre angehoben.

Es ist schon kurios, dass ein Gesetz zwei gleichlautende Absätze enthält, bei dem ein Absatz (1e) den anderen (1b) aufhebt.

Zu diesem Gesetz gibt es Durchführungsbestimmungen, die im Februar 2001 vom Verkehrsministerium erlassen wurden. Darin wird festgestellt, dass nur Kindersitze der ECE-Norm verwendet werden dürfen. Eine Ausnahme wird festgelegt, dass Kinder ab 135 cm Körpergröße, auch ohne Kindersitz befördert werden dürfen, wenn der Gurt oder Sitz höhenverstellbar ist, sodass der Gurt nicht über den Hals des Kindes verläuft.

Soweit so gut. Nun aber zur Praxis:

Kindersitze gibt es in verschiedenen Klassen. Die größte Klasse ist nur für Kinder bis 12 Jahre oder einem Gewicht von 36 kg zugelassen. Kindersitze für größere Kinder gibt es schlicht nicht.

Schon mit 10 Jahren sind viele Kinder schwerer als 36 kg, aber noch deutlich kleiner als 150 cm. Viele übergewichtige Kinder erreichen diese Gewichtsgrenze schon viel früher. Jedenfalls dürfte wohl jedes nicht magersüchtige Kind eine gar nicht so kurze Phase haben, in der es mehr als 36 kg wiegt, aber kleiner als 150 cm ist.

Die Ausnahmebestimmung bezüglich höhenverstellbarer Gurte geht auch an der Praxis vorbei: Bei den wenigsten Autos sind die Gurte an den Rücksitzen höhenverstellbar (Hallo Autohersteller! Das ist praxisfremd!). Höhenverstellbare Gurte und Sitze sind bei den meisten Autos auf den Vordersitzen jedoch Standard. Kinder unter 12 Jahren dürfen dort aber erst recht nicht befördert werden. Zwischen 12 und 14 ist immerhin diese Lösung machbar.

Was macht nun der besorgte Vater oder die besorgte Mutter, wenn sie ihr großes Kind gesetzeskonform befördern wollen? De facto muss das Kind zu Fuß gehen. Zwar stellt die oben erwähnte Verordnung fest, dass in diesem Fall Kinder halt die Sitze bis 36 kg verwenden sollen, doch sind diese Sitze für viele Kinder schlicht zu klein. Außerdem: Wer haftet bei Unfällen? Findige Unfalllenker können sich um das Schmerzensgeld für verletzte Kinder dieses Alters leicht drücken, indem sie auf die nicht ordnungsgemäße Verwendung des Kindersitzes verweisen. Was ist, wenn der Kindersitz selbst für Verletzungen sorgt? Kein Hersteller wird dafür haften.

Jedenfalls ist das ein schönes Beispiel für ein nicht durchführbares Gesetz. Eine Teilschuld tragen dabei aber auch die Autohersteller: Wann sind endlich auch die Gurte der Rücksitze höhenverstellbar? Das kann doch auch keine Unmengen kosten. Opel macht es seit fast 30 Jahren vor!